Enno Stahl, promovierter Germanist übrigens, ignoriert in seinem Roman Diese Seelen (Berlin: Verbrecher, 2008, 22,90 Euro) zunächst einmal einen Gutteil dessen, was man als Roman-Dramaturgie bezeichnen könnte. Er erzählt keine Geschichte, sondern er schildert vier Lebensläufe, die sich mehr oder weniger stark berühren. All diesen Lebensläufen ist gemein, dass die Ausgeburt unserer neoliberaler Gesellschaftsform diesen Lebensläufen arg zusetzt. So zumindest liest man es immer wieder. Die Wahrheit ist, dass nicht die neoliberale Gesellschaft, sondern das Erwachsenwerden und die Erziehung diesen Menschen zusetzt, ihre Träume kappt, sie in den realistischen Alltag einbetten, ihre Erziehung und ihre gnadenlose Arroganz. Jene, die nicht arrogant sind, die sich bescheiden, die auf den Teppich zurück kommen, die kommen übrigens irgendwie durch.
Wenn man diesen Roman also als Mahnung und Warnung in Sachen Gesellschaft liest, ist er misslungen. Wenn man in ihm eine raffinierte Romankomposition sucht, dann sucht man vergebens, und man könnte sich fragen: Wofür haben wir den Mann eigentlich auf die Uni geschickt?
Trotzdem ist dieser Roman gut.
Er ist gut, weil er Lebensläufe erzählt, die interessant sind und die einen berühren, weil man sie kennt: von sich selber, von Freunden, von wem auch immer. Es sind Geschichten von Menschen, denen das Schicksal immer mal wieder auf die Fresse gibt, aber die weiter machen, was immer sie gerade machen. Es sind Menschen, die am Ende ganz kaputt sind (Robert), die durchhalten (Tess) oder sich in ihr Schicksal fügen und damit leben (Michaela, Jürgen). Und diese Lebensläufe schildert Stahl einfühlsam (vor allem bei Jürgen und Michaela) und auf eine Art, die das Lesen sehr angenehm macht. Denn Stahl kann gut schreiben. Vor allem seine Dialoge sind gut, mit einem feinen Sprachgespür geschrieben. Offenbar hat er seiner Umwelt gut zugehört.
Das Buch ist an keiner Stelle langweilig. Es ist ab und zu ein bisschen überkandidelt, vor allem in der Betrachtung Roberts und Tess', es fügt Handlungsstränge und Figuren ein, die eigentlich keine Rolle spielen und all solche Dinge. Manche Nebenfiguren (z.B. Walter) haben starke Brüche. Aber ich bereue keine Sekunde, die ich mit diesem Buch verbracht habe, denn es bleibt ein Nachklang davon. Und der bleibt wahrscheinlich nicht zuletzt auch deswegen, weil Stahl beinahe sämtliche Romankompositionsformen ignoriert.
Dienstag, 24. Februar 2009
Dienstag, 17. Februar 2009
Godley & Creme Revisited
Vor einigen Jahren lief ich durch Valetta. Und aus den Tiefen meines Gehirns kam "Get Well Soon" hervor, ein Song, den ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört hatte, aber er war da, und zwar auf eine erstaunlich klare und realistische Art und Weise, als wäre er gerade aus irgendeiner Musikbox einer der morbiden Kneipen in La Valetta gedrungen. Meine Begleiterin schaute mich verstört an, als ich ihr vorsang: "I tune the dial to Radio Luxembourg, it's better than counting sheep." Und nach und nach kamen all die anderen Godley & Creme-Perlen aus meinem Unterbewusstsein: "Mugshots", "Freeze Frame", "Brazilia" und "Snack Attack". Sie standen mir vor Ohren, als hätte ich sie alle gerade erst gehört.
Nachdem wir das morbide südliche Ende Europas wieder verlassen hatten, kramte ich in meiner alten Musik-Sammlung und fand auch die BASF-Kassette (billigste Kategorie), von der ich diese ganzen Hits damals offenbar aufgesogen hatte - ich erinnere mich nicht mehr, wer mir die Sachen damals "überspielt" hatte - , doch sie war unhörbar. Nur fernes dumpfes Mumpfen ließ sich noch vernehmen. Und es gab keine Chance, die Stücke noch einmal zu hören - oder gar meiner Begleiterin vorzuspielen. Auch meine Suche nach Platte oder CD brachte keinen Erfolg. Die Sachen gab es einfach nicht. Nicht, dass ich sie mir unbedingt hätte kaufen wollen. Aber manchmal ist es ja beruhigend, wenn man weiß, dass der Weltgeist ein paar Dinge mit sich weiter durch die Zeit trägt, und wenn man denn mal Lust hat, sich näher mit der Sache zu beschäftigen, dann kann man das auch.
Nun, Godley & Creme waren auch nicht so richtig erfolgreich. Nachdem die beiden Musiker ihre Band 10cc verlassen hatten - genau, die mit "Dreadlock Holiday" und "I'm Not In Love"! -, waren sie eigentlich eher chronisch erfolglos. Dennoch ging ein merkwürdier Charme von den beiden Musikern aus. Ich erinnere mich daran, dass ich mit einem wohl Bekannten gemeinsam ein oder zweimal auf einer Party als Godley & Creme reüssierte, was hier und da für staunendes Interesse sorgte. Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte, war: Es war nicht verwunderlich, dass es keine Tonträger mehr von Godley & Creme mehr gab, denn die Beiden waren ziemlich erfolglos geblieben, in etwa so erfolglos wie ihre scheinbar großartige Erfindung, der Gizmo.
Woran das lag? Es hatte den gleichen Grund, aus dem die Songs nach Jahrzehnten wieder in meinem Kopf auftauchten. Godley & Creme waren groß darin, Popmusik zu dekonstruieren. Das führte zu unhörbaren Stücken, zu überladenem Unsinn und verdrehtem Trash, aber auch zu dem Effekt, dass manche Songs so neu waren, das der Kopf sie über Jahre hinweg behielt und an den unmöglichsten Stellen anfing zu spielen - und sie gleichzeitig zu lieben.
Letzte Woche war ich aus literarischen Gründen bei Amazon.co.uk unterwegs, und da gab ich, mehr so zum Spaß, "Godley" ins Suchfeld ein. Und es passierte: Freeze Frame und Ismism, exakt die beiden Alben, die ich auf meiner fading Cassette hatte, gab es als Doppel-CD für 4, 88 Pfund. Schon gekauft! Beim derzeitigen Wechselkurs machte das inklusive Auslands-Versand 8,33 Euro für die beiden CDs. Danke, ihr englischen Bänker und britischen Währungshüter.
Heute kam das Päckchen dann. Und nun höre ich gerade diese beiden Alben das erste Mal seit den frühen 80er Jahren wieder aus einer anderen Quelle als aus meinem Kopf, dem besseren WalkmanTM. Zum Teil wirklich unhörbar, vor allem einige Titel auf Freeze Frame. Aber auch die oben genannten Perlen. Nebenbei die Erfindung des Rap ("Snack Attack") und einiger anderer Dinge, die in der Popmusik z.T. erst Jahrzehnte später aufgetaucht sind. Dann ist da immer der leichte Hang zum Bombastischen. Aber bevor es zu schlimm wird, zerstören Godley & Creme ihren Song schnell mal.
Und dann die Texte ... Aber das ist ein anderes Thema
Nachdem wir das morbide südliche Ende Europas wieder verlassen hatten, kramte ich in meiner alten Musik-Sammlung und fand auch die BASF-Kassette (billigste Kategorie), von der ich diese ganzen Hits damals offenbar aufgesogen hatte - ich erinnere mich nicht mehr, wer mir die Sachen damals "überspielt" hatte - , doch sie war unhörbar. Nur fernes dumpfes Mumpfen ließ sich noch vernehmen. Und es gab keine Chance, die Stücke noch einmal zu hören - oder gar meiner Begleiterin vorzuspielen. Auch meine Suche nach Platte oder CD brachte keinen Erfolg. Die Sachen gab es einfach nicht. Nicht, dass ich sie mir unbedingt hätte kaufen wollen. Aber manchmal ist es ja beruhigend, wenn man weiß, dass der Weltgeist ein paar Dinge mit sich weiter durch die Zeit trägt, und wenn man denn mal Lust hat, sich näher mit der Sache zu beschäftigen, dann kann man das auch.
Nun, Godley & Creme waren auch nicht so richtig erfolgreich. Nachdem die beiden Musiker ihre Band 10cc verlassen hatten - genau, die mit "Dreadlock Holiday" und "I'm Not In Love"! -, waren sie eigentlich eher chronisch erfolglos. Dennoch ging ein merkwürdier Charme von den beiden Musikern aus. Ich erinnere mich daran, dass ich mit einem wohl Bekannten gemeinsam ein oder zweimal auf einer Party als Godley & Creme reüssierte, was hier und da für staunendes Interesse sorgte. Aber ich schweife ab. Was ich sagen wollte, war: Es war nicht verwunderlich, dass es keine Tonträger mehr von Godley & Creme mehr gab, denn die Beiden waren ziemlich erfolglos geblieben, in etwa so erfolglos wie ihre scheinbar großartige Erfindung, der Gizmo.
Woran das lag? Es hatte den gleichen Grund, aus dem die Songs nach Jahrzehnten wieder in meinem Kopf auftauchten. Godley & Creme waren groß darin, Popmusik zu dekonstruieren. Das führte zu unhörbaren Stücken, zu überladenem Unsinn und verdrehtem Trash, aber auch zu dem Effekt, dass manche Songs so neu waren, das der Kopf sie über Jahre hinweg behielt und an den unmöglichsten Stellen anfing zu spielen - und sie gleichzeitig zu lieben.
Letzte Woche war ich aus literarischen Gründen bei Amazon.co.uk unterwegs, und da gab ich, mehr so zum Spaß, "Godley" ins Suchfeld ein. Und es passierte: Freeze Frame und Ismism, exakt die beiden Alben, die ich auf meiner fading Cassette hatte, gab es als Doppel-CD für 4, 88 Pfund. Schon gekauft! Beim derzeitigen Wechselkurs machte das inklusive Auslands-Versand 8,33 Euro für die beiden CDs. Danke, ihr englischen Bänker und britischen Währungshüter.
Heute kam das Päckchen dann. Und nun höre ich gerade diese beiden Alben das erste Mal seit den frühen 80er Jahren wieder aus einer anderen Quelle als aus meinem Kopf, dem besseren WalkmanTM. Zum Teil wirklich unhörbar, vor allem einige Titel auf Freeze Frame. Aber auch die oben genannten Perlen. Nebenbei die Erfindung des Rap ("Snack Attack") und einiger anderer Dinge, die in der Popmusik z.T. erst Jahrzehnte später aufgetaucht sind. Dann ist da immer der leichte Hang zum Bombastischen. Aber bevor es zu schlimm wird, zerstören Godley & Creme ihren Song schnell mal.
Und dann die Texte ... Aber das ist ein anderes Thema
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Pop,
Strandgut
Montag, 16. Februar 2009
Donnerstag, 12. Februar 2009
Montag, 9. Februar 2009
Sonntag, 1. Februar 2009
Born in the Sixties
Zugegeben, die von uns damals gedachte Welt war naiv. Sehr naiv sogar. Dennoch verstehe ich nicht, dass sich unsere Generation immer wieder von einem Dorf ins nächste treiben lässt und sich dabei für innovativ hält. Abgehetzt, müde und schlecht gelaunt kommen wir an, reden uns dies schön und jenes richtig und wissen doch im tiefsten Innern, dass wir bislang stets mit einer unfassbaren Bereitwilligkeit jeder noch so fadenscheinigen Lüge hinterher gelaufen sind, immer in der aberwitzigen Hoffnung, dass sie sich irgendwann als wahrgewordener Märchentraum entpuppen könnte.
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Befindlichkeit,
Identitätskrise,
New Wave,
Thomas Mann
Lustige Limericks (9)
Ein bärtiger Lehrer aus Bremen,
der wollte sein Liebchen gern nehmen
von hinten, ganz praktisch,
doch wenig didaktisch
sprach's Liebchen: "Du solltest dich schämen!"
der wollte sein Liebchen gern nehmen
von hinten, ganz praktisch,
doch wenig didaktisch
sprach's Liebchen: "Du solltest dich schämen!"
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Limericks
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