Freitag, 12. Februar 2016

Tastend durch die Nacht



Dies sind die ersten Worte, die ich mit meiner neuen Tastatur schreibe. Es handelt sich um eine Cherry-Tastatur, sie ist schwarz und in China hergestellt. Auch meine alte Tastatur war eine Cherry-Tastatur. Aber sie stammte noch aus Deutschland – und war nicht schwarz, sondern wirklich und wahrhaftig mausgrau. Oder vielmehr hausstaubgrau. Und Hausstaub war wohl zum Schluss auch ihr hauptsächlicher Bestandteil. Dort, wo man zwischen die Ritzen der Tastatur kucken konnte, sah man Staub. Buschigen, dunklen Hausstaub. Ein Fest wahrscheinlich für jede Hausstaubmilbe, die etwas auf sich hielt.

Ich weiß nicht, wie lange die Tastatur Gelegenheit gehabt hatte Staub anzusammeln. Die alte Tastatur war, so entnahm ich dem eingegossenen Plastikgussdatum, 2008 entstanden. Also habe ich sie mindestens fünf Jahre, wahrscheinlich aber eher länger, in Gebrauch gehabt. Der Staub stammt also aus einer Zeit, als die Welt noch besser war. Es gab keine Syrienkrise. Es gab noch keine Coca Cola Life. Ein unschuldiges, geradezu naives Leben führte man damals, als die Tastatur ihren Dienst aufgenommen hatte, kurz, nachdem ich meinen großen Welterklärungsroman zu Ende geschrieben hatte.

Und damit fällt mir ein: Etwas Großes, etwas Literarisches gar, kann ich auf der staubgrauen Cherry-Tastatur kaum geschrieben haben. E-Mails wahrscheinlich massenhaft, hier und da ein Posting im Blog, vielleicht eine Bestellung oder so. Aber große Literatur? Fehlanzeige! Es war die Tastatur der kleinen Schritte. Keine Experimente, schien sie mit jedem Buchstaben, jeder Ziffer zuu schreien. Ich bin eine hausstaubgraue Tastatur und nicht etwa eine bunte AVID-Tastatur, die träumt, sie sei ein LSD-Trip. Und mehr und mehr hielt ich mich daran. Punkt.

Jetzt aber, seit heute, wird alles anders. Literarische Welten erschließen sich mir, wo sonst Alltagskorrespondenz obsiegte. Eine neue Tastatur ist wie ein neues Leben, möchte man Jürgen Marcus variieren, um dann lauthals ein „schananananana“ herauszuschmettern. 

Cherry Cherry Lady

Mittwoch, 10. Februar 2016

Hallo Kuhmagd dort im Sand

Während der Tage und Nächte arbeite ich wie in Gefangenschaft. Tageslicht wird mir zunehmend fremd. Normale Bewegungsabläufe werden meinem Körper vorenthalten. Stattdessen Funktionieren in der Mühle. Angenehme Arbeit, keine Frage, aber viel zu viel davon. Wie lange werden meine Nerven, resilienzgestählt und also hart im Nehmen, das mitmachen. Ein endloser Arbeitstag reiht sich an den nächsten anden nächsten an den nächsten. Entfremdete Arbeit, wobei mich die Arbeit von mir selbst entfremdet, weil ich kaum Gelegenheit habe, mir außerhalb meiner Rolle als Arbeitnehmer zu begegnen. Tröstlich: In meinem Büro dröhnt Neil Young in exorbitanter Lautstärke. So, und jetzt wieder an die Arbeit.


Auf nach Westen!

Montag, 1. Februar 2016

Der Taschenbuchautor macht weiter

Blogs sind lange schon nur noch ein Medium für eine kleine Gruppe von Internet-Usern. Der Rest wird absorbiert von Facebook, Twitter und was weiß ich welchen sozialen Netzwerken, so dass die bunte, journalistische und künstlerische Vielfalt der frühen und mittleren Nullerjahre unseres Jahrhunderts, aber auch die Ansammlung von Fachwissen jener Zeit, nur noch an wenigen Stellen der Bloglandschaft zu finden sind. Natürlich gibt es sie noch, diese Reste, aber der Großteil  ist weggebrochen. Das das keine gute Entwicklung fürs Netz ist, ist an anderer Stelle schon dargelegt worden. Facebook ist nur ein großer Reklame- und Selbstdarstellungszirkus, der Aufmerksamkeit in Bereiche lenken soll, wo sie eigentlich nicht beheimatet ist. 

Auch dieses Blog ist nur noch ein Schatten seiner Selbst und läuft, Sie sehen es ja selbst, nur noch auf Sparflamme. Um es wieder auf Vordermann zu kriegen, müsste man es ein wenig hegen und pflegen, sich alle paar Tage ein oder zwei Stündchen Zeit nehmen, um Texte zuschreiben, die diesen Namen auch wirklich verdienen. Wenn ich allerdings auf meinen Zeitplan schaue, dann fürche ich, dass es diese Qualitätssteigerung in absehbarer Zeit nicht geben wird. Zu sehr bin ich anderswo eingebunden, zu viele andere Projekte füllen meinen Terminkalender aus. Zum Beispiel die Arbeit mit meinen Bands, die ich ja hier auch zuweilen dokumentiere. 

Ich habe mir überlegt, dieses Blog in eine längere kreative Pause zu schicken. Lieber nichts sagen, als weiter auf Sparflamme zu fahren, lieber ein klares Statement, als ein längeres Dahinsiechen. Ehrlich gesagt wäre das die coolere Variante: "Dieses Blog endet hier. Es war schön mit euch, aber jetzt müssen wir alle weiter ziehen."

Aber dann wiederum ist es ja auch so, dass ich an diesem völlig verhunzten Blog hier auch ein bisschen hänge. Wenn man zehn Jahre lang hier war, freut man sich über die paar stummen Leser, die immer mal wieder reinschauen. Oder über die Internet-Schwärme, die plötzlich irgendein Thema aus der Vergangenheit anklicken - einen alten Limerick, eine Geschichte aus dem Jahr 2005. Man weiß nicht wirklich, mit wem man da zu tun hat, aber es könnte die alte Frau sein aus der Salinger-Geschichte "Das kluge Kind". 

Vielleicht meldet sich der eine oder andere hier ja mal im Kommentar und wird sichtbar ...

Wie auch immer: Eben weil ich daran hänge, mache ich hier erst einmal weiter. Auf Sparflamme versteht sich, ohne genügend Zeit für brillante Beiträge. Aber hey, im normalen Leben gibt es ja auch nicht immer Champagner, nicht wahr.

Und zum Schluss noch ein paar Worte aus der Vorbemerkung zuWestwärts 1 & 2 von Rolf Dieter Brinkmann:

"Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock’n’Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, das Papier macht weiter, die Tiere und Bäume machen weiter, Tag und Nacht macht weiter, der Mond geht auf, die Sonne geht auf, die Augen gehen auf, Türen gehen auf, der Mund geht auf, man spricht, man macht Zeichen, Zeichen an den Häuserwänden, Zeichen auf der Straße, Zeichen in den Maschinen, die bewegt werden, Bewegungen in den Zimmern, durch eine Wohnung, wenn niemand außer einem selbst da ist, Wind weht altes Zeitungspapier über einen leeren grauen Parkplatz, wilde Gebüsche und Gras wachsen in den liegengelassenen Trümmergrundstücken, mitten in der Innenstadt, ein Bauzaun ist blau gestrichen, an den Bauzaun ist ein Schild genagelt, Plakate ankleben Verboten, die Plakate, Bauzäune und Verbote machen weiter, die Fahrstühle machen weiter, die Häuserwände machen weiter, die Innenstadt macht weiter, die Vorstädte machen weiter … Auch alle Fragen machen weiter, wie alle Antworten weitermachen."



The Days are getting longer now ...