Redakteur: Lieber Herr Gedsudski, ein Blog zu schreiben wird
ja heute schon jedem Achtklässer als besonders wertvolle Tätigkeit verkauft als
schreibmotivationales Mittel der Wahl sozusagen. Nun könnten wir uns natürlich
lange darüber unterhalten, wie sinnvoll oder eben nicht es ist, Kindern eine
Online-Schreibform nahezulegen, die in erster Linie von Ü40s dominiert wird.
Aber darauf wollte ich gar nicht heraus. Was ich wirklich wissen will: Was
motiviert Herrn Gedsudski dazu, dieses Weblog zu schreiben?
Herr Gedsudski: Lieber Redakteur, Sie schwafeln. Aber wenn
Sie wissen möchte, warum ich hier schreibe: Das frage ich mich seit inzwischen
über zehn Jahren auch mehrmals monatlich. Und mehr als nur einmal wollte ich
dieses Blog aufgeben. Aber andererseits: wem soll man seine neuesten
Geistesblitze mitteilen, wenn man nachts alleine durch die Straßen der Stadt
läuft. Da bleibt dann eben nur eins: Smartphone zücken und in die virtuellen
Tasten hauen.
Redakteur: Entstehen die meisten Blogs denn unterwegs?
Herr Gedsudski: Nun, zumindest eine Zeit lang war das so,
damals, als ich in H. wohnte. Vorher und nachher aber habe ich vieles auch am
Desktop-Rechner geschrieben, immer zwischen Tür und Angel, d.h. zwischen dem
Öffnen von Word und dem Lesen meiner E-Mails oder so.
Redakteur: Und warum wird das weniger? Schließlich gab es
eine Zeit, als hier mindestens einmal pro Woche gepostet wurde.
Herr Gedudski: Die Kalenderwochen-Postings waren der Versuch
des Tagebuch-Bloggens. Aber das hat sich als recht blöd erwiesen, weil mein Blog
ja eins ist, das nicht allzu sehr auf mein analoges Leben verweisen soll. Vielmehr
ist dieses Blog so etwas wie eine kleine, zugegebenermaßen stark
autobiographisch gefärbte Fiktion. Das ist schwer mit Tagebuch-Bloggen zu vereinbaren.
Redakteur: Und was für eine Fiktion soll das sein?
Herr Gedsudski: Also die erste Grundannahme ist, dass ich
allwissend bin. Das gehört zum Blogschreiben, dieser Klugscheißer-Modus: Ah,
ich weiß Bescheid, ich habe die Welt quasi erfunden. Die zweite Grundannahme
ist: Ich bin cool, und was ich an kulturellen Dingen in irgendeiner Weise
betrachte ist wichtig und das nächste große Ding.
The Laughing Man zum
Beispiel. Obwohl, wenn ich genau drüber nachdenke, dann ist das natürlich keine
Fiktion. The Laughing Man sind sicherlich im Moment die beste Band der Welt.
Haben Sie eigentlich die neue Tocotronic-Platte schon gehört. Oh mein Gott, ist
die scheiße. The Laughing Man hingegen ...
Redakteur: Sicherlich werden wir auch noch ein
Selbstinterview über The Laughing Man machen, später. Jetzt erst einmal würde
mich noch einmal interessieren: Was motiviert jemanden dazu, so ein Blog zu
schreiben, das täglich eine nur zweistellige Klickzahl hat und alles in allem
doch ziemlich abseits von Klein-Bloggersdorf angesiedelt ist. Warum treten Sie
eigentlich nicht in Interaktion mit Anderen. Ist das nicht die Idee eines
Blogs? Sich vernetzen, anderswo kommentieren, Leute aufmerksam machen auf die
eigene Präsenz im Netz.
Herr Gedsudski: Nein, das ist nicht mein Konzept. Mein Konzept
ist eher das eines Autisten-Blogs. Mein Haus steht auf einer einsamen Wiese, 37
Kilometer von Kleinbloggersdorf entfernt. Wer vorbei kommt, der ist herzlich
willkommen. Aber wer wegbleibt, der ist mir egal. Ich lebe meinen Narzissmus
gemeinhin anders aus.
Redakteur: Unterstellen Sie anderen Bloggern etwa
Narzissmus?
Herr Gedsudski: Nicht nur anderen, auch mir selbst. Wer
nicht die öffentliche Wahrnehmung sucht, der schreibt nicht im Internet,
sondern in eine schöne Moleskine-Kladde, die er vorher mit Patchouli beträufelt
hat. Allerdings ist mir das Schreiben im Blog nie so wichtig gewesen, dass ich
es systematisiert hätte. Ich bin immer verführt worden von Plattformen wie
blog-it, blogger.de oder eben blogspot, die es einem erlauben, innerhalb von fünf
Minuten einen halbgaren Text in die Öffentlichkeit zu bringen. Viel länger darf
so etwas auch nicht dauern. Ich beschäftige mich nicht lange mit dem Bloggen. Es
ist ein Ventil. So etwas wie eine textliche Popsingle, so wie in den frühen
1960er Jahren, meine ich. Schnell rausgehauen mit all den Fehlern, die man beim
Einspielen gemacht hat. Und manchmal sind es Grüße an die paar Freunde, von
denen ich weiß, dass sie mitlesen.
Redakteur: Ist es kein Element schriftstellerischer Arbeit?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Nicht hier. Das hier
ist mein kleines trashiges Privatvergnügen. Das einzig Literarische mögen die
Limericks sein, die ich übrigens mal wieder ins Programm aufnehmen sollte.
Redakteur: Gibt es denn Leute, deren Blogs sie gerne lesen?
Herr Gedsudski: Was ich gut finde, das sind Themenblogs.
Solche, die mir erklären, wie ich mein Desktop-Anzeigen-Symbol in Windows 8.1
zurückbringen kann, auch wenn es da angeblich überflüssig ist. Ansonsten kann
ich mit den meisten Blogs nicht so viel anfangen. Die ganzen Selbstdarstellungsblogs
sind nicht mein Ding. Nur die paar, die ich verlinkt habe, die sind gut. Da ist
erst einmal Konstantin Binder mit
London leben, der erstens aus der
großartigsten Stadt der Welt schreibt und dabei interessante Sachen schreibt
und vor allem einen sehr, sehr schönen Stil hat. Jemand, der mit der Sprache
sorgsam umgeht. Der sie achtet. Viele Journalisten könnten sich davon mal eine
riesengroße Scheibe abschneiden. Dann
Das hermetische Café. Auch jemand, der
sehr gut schreiben kann, wenngleich dieses Blog auch so ein bisschen verwaist
in der letzten Zeit. Aber ich kenne den Autor von früher aus meiner
damaligen Hood. Der kann auch jenseits von Blogs gut schreiben. Und schließlich
Kaltmamsell. Ich finde, sie hat das persönliche Bloggen auf eine sehr
angenehme, unaufdringliche und letzten Endes sehr uneitle Weise kultiviert. Ein
kultiviertes Blog. Das passt. Diese ganzen jungen Leute hingegen, die irgendwas
mit Medien machen, versuchen immer witzig zu sein oder geistreich, und meistens
können sie leider auch nicht schreiben. Aber dennoch veröffentlichen sie
dauernd irgendwelche Bücher in Publikumsverlagen.
Redakteur: Heißt das, das Blog als Textsorte hat ausgedient?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Und schon gar nicht
hier, im besten deutschsprachigen Blog der Welt. Denn wir
haben noch viel zu bieten: 22
Selbstinterviews zu unterschiedlichen Themen. Außerdem werde ich 17 chronisch
unterbewertete Bands vorstellen. Darüber hinaus gibt es irre Schminktipps und
eine Reihe zu ungereisten Reisen.
Redakteur: Herr Gedsudski, vielen Dank für Ihre
Einschätzung.
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Herr Gedsudski behält die Hände am Steuer |