Dienstag, 23. August 2022

Second Thoughts: Springsteen

An diesem Song habe ich mindestens ein halbes Jahr lang gearbeitet und es gibt mehr als 20 Versionen davon, die komplett unterschiedlich klingen. Dabei war es zu Anfang so einfach. J. hatte sich einen Kleinwagen gekauft, der diese Bezeichnung ganz sicher verdient, einen alten, knallroten Hyundai i10, den sie innig liebt. Das erinnerte mich an mein erstes Auto und daran, wieviel Freiheit dieses Auto bedeutet hat. Es war übrigens ein orangefarbener VW Golf I. Autos als Metapher für Freiheit und Ausbruch aus einem tristen Leben, da war ich nicht nur direkt jenseits des Atlantiks, sondern beinahe genauso schnell bei Bruce Springsteen. 

Deshalb nannte ich das Auto in meinem Song Springsteen und machte einen Text dazu, der natürlich eng angelehnt ist an Springsteen-Texte. Zwei Außenseiter wollen raus aus der Enge ihrer provinziellen Leben und das Auto wir ihnen dabei helfen. "Baby we were born to run" und so. Der Text war schnell fertig und ich mochte ihn. Der Song dazu hatte allerdings ziemlich wenig mit Springsteen zu tun, sondern war vielmehr eine Ballade, die ich auf der damals neuen 12-saitigen Gitarre spielte. Ich mochte diesen Kontrast und bastelte ein richtig ausgefeiltes Arrangement, aber das Ergebnis war absolut nicht zufriedenstellend. Offenbar fehlte mir das Equipment einer (oder in diesem Fall vier) 12-saitigen Gitarre richtig fette Präsenz zu verleihen. Das alles wurde Bruce Springsteen in keinster Weise gerecht. 

Also bastelte ich herum, probierte verschiedene Geschindigkeiten aus, kürzte den Text um zwei Strophen, schmiss drei der vier 12-saitigen Gitarren aus der ersten Version über Bord und und und. 

Nach einem halben Jahr Bastelei gab ich den Song auf, zusammen mit einem anderen Song, der es dann auch nicht auf das Album geschafft hat. Aber in meinem Kopf lief der Song immer weiter. Und nach zwei oder drei Monaten nahm ich ihn dann doch nch einmal komplett neu auf. 

Die neue Version hat nur noch von Ferne mit den alten Fassungen zu tun, aber so, das hoffe ich wenigstens, gewinnt der Song eine Eigendynamik, die dem Boss gerecht wird. Schließlich ist "Springsteen" eine Verneigung vor ihm, zudem eine Erinnerung an den kleinen roten Hyundai i10 von J. und eine Erinnerung daran, dass es ein Leben jenseits von Korrumpiertheit geben kann: "Don't want their drinks made out of other people's tears."

 



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