Donnerstag, 30. April 2015
Freitag, 24. April 2015
Selbstinterview (1) 37 Kilometer vor Kleinbloggersdorf
Redakteur: Lieber Herr Gedsudski, ein Blog zu schreiben wird
ja heute schon jedem Achtklässer als besonders wertvolle Tätigkeit verkauft als
schreibmotivationales Mittel der Wahl sozusagen. Nun könnten wir uns natürlich
lange darüber unterhalten, wie sinnvoll oder eben nicht es ist, Kindern eine
Online-Schreibform nahezulegen, die in erster Linie von Ü40s dominiert wird.
Aber darauf wollte ich gar nicht heraus. Was ich wirklich wissen will: Was
motiviert Herrn Gedsudski dazu, dieses Weblog zu schreiben?
Herr Gedsudski: Lieber Redakteur, Sie schwafeln. Aber wenn Sie wissen möchte, warum ich hier schreibe: Das frage ich mich seit inzwischen über zehn Jahren auch mehrmals monatlich. Und mehr als nur einmal wollte ich dieses Blog aufgeben. Aber andererseits: wem soll man seine neuesten Geistesblitze mitteilen, wenn man nachts alleine durch die Straßen der Stadt läuft. Da bleibt dann eben nur eins: Smartphone zücken und in die virtuellen Tasten hauen.
Redakteur: Entstehen die meisten Blogs denn unterwegs?
Herr Gedsudski: Nun, zumindest eine Zeit lang war das so, damals, als ich in H. wohnte. Vorher und nachher aber habe ich vieles auch am Desktop-Rechner geschrieben, immer zwischen Tür und Angel, d.h. zwischen dem Öffnen von Word und dem Lesen meiner E-Mails oder so.
Redakteur: Und warum wird das weniger? Schließlich gab es eine Zeit, als hier mindestens einmal pro Woche gepostet wurde.
Herr Gedudski: Die Kalenderwochen-Postings waren der Versuch des Tagebuch-Bloggens. Aber das hat sich als recht blöd erwiesen, weil mein Blog ja eins ist, das nicht allzu sehr auf mein analoges Leben verweisen soll. Vielmehr ist dieses Blog so etwas wie eine kleine, zugegebenermaßen stark autobiographisch gefärbte Fiktion. Das ist schwer mit Tagebuch-Bloggen zu vereinbaren.
Redakteur: Und was für eine Fiktion soll das sein?
Herr Gedsudski: Also die erste Grundannahme ist, dass ich allwissend bin. Das gehört zum Blogschreiben, dieser Klugscheißer-Modus: Ah, ich weiß Bescheid, ich habe die Welt quasi erfunden. Die zweite Grundannahme ist: Ich bin cool, und was ich an kulturellen Dingen in irgendeiner Weise betrachte ist wichtig und das nächste große Ding. The Laughing Man zum Beispiel. Obwohl, wenn ich genau drüber nachdenke, dann ist das natürlich keine Fiktion. The Laughing Man sind sicherlich im Moment die beste Band der Welt. Haben Sie eigentlich die neue Tocotronic-Platte schon gehört. Oh mein Gott, ist die scheiße. The Laughing Man hingegen ...
Redakteur: Sicherlich werden wir auch noch ein Selbstinterview über The Laughing Man machen, später. Jetzt erst einmal würde mich noch einmal interessieren: Was motiviert jemanden dazu, so ein Blog zu schreiben, das täglich eine nur zweistellige Klickzahl hat und alles in allem doch ziemlich abseits von Klein-Bloggersdorf angesiedelt ist. Warum treten Sie eigentlich nicht in Interaktion mit Anderen. Ist das nicht die Idee eines Blogs? Sich vernetzen, anderswo kommentieren, Leute aufmerksam machen auf die eigene Präsenz im Netz.
Herr Gedsudski: Nein, das ist nicht mein Konzept. Mein Konzept ist eher das eines Autisten-Blogs. Mein Haus steht auf einer einsamen Wiese, 37 Kilometer von Kleinbloggersdorf entfernt. Wer vorbei kommt, der ist herzlich willkommen. Aber wer wegbleibt, der ist mir egal. Ich lebe meinen Narzissmus gemeinhin anders aus.
Redakteur: Unterstellen Sie anderen Bloggern etwa Narzissmus?
Herr Gedsudski: Nicht nur anderen, auch mir selbst. Wer nicht die öffentliche Wahrnehmung sucht, der schreibt nicht im Internet, sondern in eine schöne Moleskine-Kladde, die er vorher mit Patchouli beträufelt hat. Allerdings ist mir das Schreiben im Blog nie so wichtig gewesen, dass ich es systematisiert hätte. Ich bin immer verführt worden von Plattformen wie blog-it, blogger.de oder eben blogspot, die es einem erlauben, innerhalb von fünf Minuten einen halbgaren Text in die Öffentlichkeit zu bringen. Viel länger darf so etwas auch nicht dauern. Ich beschäftige mich nicht lange mit dem Bloggen. Es ist ein Ventil. So etwas wie eine textliche Popsingle, so wie in den frühen 1960er Jahren, meine ich. Schnell rausgehauen mit all den Fehlern, die man beim Einspielen gemacht hat. Und manchmal sind es Grüße an die paar Freunde, von denen ich weiß, dass sie mitlesen.
Redakteur: Ist es kein Element schriftstellerischer Arbeit?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Nicht hier. Das hier ist mein kleines trashiges Privatvergnügen. Das einzig Literarische mögen die Limericks sein, die ich übrigens mal wieder ins Programm aufnehmen sollte.
Redakteur: Gibt es denn Leute, deren Blogs sie gerne lesen?
Herr Gedsudski: Was ich gut finde, das sind Themenblogs. Solche, die mir erklären, wie ich mein Desktop-Anzeigen-Symbol in Windows 8.1 zurückbringen kann, auch wenn es da angeblich überflüssig ist. Ansonsten kann ich mit den meisten Blogs nicht so viel anfangen. Die ganzen Selbstdarstellungsblogs sind nicht mein Ding. Nur die paar, die ich verlinkt habe, die sind gut. Da ist erst einmal Konstantin Binder mit London leben, der erstens aus der großartigsten Stadt der Welt schreibt und dabei interessante Sachen schreibt und vor allem einen sehr, sehr schönen Stil hat. Jemand, der mit der Sprache sorgsam umgeht. Der sie achtet. Viele Journalisten könnten sich davon mal eine riesengroße Scheibe abschneiden. Dann Das hermetische Café. Auch jemand, der sehr gut schreiben kann, wenngleich dieses Blog auch so ein bisschen verwaist in der letzten Zeit. Aber ich kenne den Autor von früher aus meiner damaligen Hood. Der kann auch jenseits von Blogs gut schreiben. Und schließlich Kaltmamsell. Ich finde, sie hat das persönliche Bloggen auf eine sehr angenehme, unaufdringliche und letzten Endes sehr uneitle Weise kultiviert. Ein kultiviertes Blog. Das passt. Diese ganzen jungen Leute hingegen, die irgendwas mit Medien machen, versuchen immer witzig zu sein oder geistreich, und meistens können sie leider auch nicht schreiben. Aber dennoch veröffentlichen sie dauernd irgendwelche Bücher in Publikumsverlagen.
Redakteur: Heißt das, das Blog als Textsorte hat ausgedient?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Und schon gar nicht hier, im besten deutschsprachigen Blog der Welt. Denn wir haben noch viel zu bieten: 22 Selbstinterviews zu unterschiedlichen Themen. Außerdem werde ich 17 chronisch unterbewertete Bands vorstellen. Darüber hinaus gibt es irre Schminktipps und eine Reihe zu ungereisten Reisen.
Redakteur: Herr Gedsudski, vielen Dank für Ihre Einschätzung.
Herr Gedsudski: Lieber Redakteur, Sie schwafeln. Aber wenn Sie wissen möchte, warum ich hier schreibe: Das frage ich mich seit inzwischen über zehn Jahren auch mehrmals monatlich. Und mehr als nur einmal wollte ich dieses Blog aufgeben. Aber andererseits: wem soll man seine neuesten Geistesblitze mitteilen, wenn man nachts alleine durch die Straßen der Stadt läuft. Da bleibt dann eben nur eins: Smartphone zücken und in die virtuellen Tasten hauen.
Redakteur: Entstehen die meisten Blogs denn unterwegs?
Herr Gedsudski: Nun, zumindest eine Zeit lang war das so, damals, als ich in H. wohnte. Vorher und nachher aber habe ich vieles auch am Desktop-Rechner geschrieben, immer zwischen Tür und Angel, d.h. zwischen dem Öffnen von Word und dem Lesen meiner E-Mails oder so.
Redakteur: Und warum wird das weniger? Schließlich gab es eine Zeit, als hier mindestens einmal pro Woche gepostet wurde.
Herr Gedudski: Die Kalenderwochen-Postings waren der Versuch des Tagebuch-Bloggens. Aber das hat sich als recht blöd erwiesen, weil mein Blog ja eins ist, das nicht allzu sehr auf mein analoges Leben verweisen soll. Vielmehr ist dieses Blog so etwas wie eine kleine, zugegebenermaßen stark autobiographisch gefärbte Fiktion. Das ist schwer mit Tagebuch-Bloggen zu vereinbaren.
Redakteur: Und was für eine Fiktion soll das sein?
Herr Gedsudski: Also die erste Grundannahme ist, dass ich allwissend bin. Das gehört zum Blogschreiben, dieser Klugscheißer-Modus: Ah, ich weiß Bescheid, ich habe die Welt quasi erfunden. Die zweite Grundannahme ist: Ich bin cool, und was ich an kulturellen Dingen in irgendeiner Weise betrachte ist wichtig und das nächste große Ding. The Laughing Man zum Beispiel. Obwohl, wenn ich genau drüber nachdenke, dann ist das natürlich keine Fiktion. The Laughing Man sind sicherlich im Moment die beste Band der Welt. Haben Sie eigentlich die neue Tocotronic-Platte schon gehört. Oh mein Gott, ist die scheiße. The Laughing Man hingegen ...
Redakteur: Sicherlich werden wir auch noch ein Selbstinterview über The Laughing Man machen, später. Jetzt erst einmal würde mich noch einmal interessieren: Was motiviert jemanden dazu, so ein Blog zu schreiben, das täglich eine nur zweistellige Klickzahl hat und alles in allem doch ziemlich abseits von Klein-Bloggersdorf angesiedelt ist. Warum treten Sie eigentlich nicht in Interaktion mit Anderen. Ist das nicht die Idee eines Blogs? Sich vernetzen, anderswo kommentieren, Leute aufmerksam machen auf die eigene Präsenz im Netz.
Herr Gedsudski: Nein, das ist nicht mein Konzept. Mein Konzept ist eher das eines Autisten-Blogs. Mein Haus steht auf einer einsamen Wiese, 37 Kilometer von Kleinbloggersdorf entfernt. Wer vorbei kommt, der ist herzlich willkommen. Aber wer wegbleibt, der ist mir egal. Ich lebe meinen Narzissmus gemeinhin anders aus.
Redakteur: Unterstellen Sie anderen Bloggern etwa Narzissmus?
Herr Gedsudski: Nicht nur anderen, auch mir selbst. Wer nicht die öffentliche Wahrnehmung sucht, der schreibt nicht im Internet, sondern in eine schöne Moleskine-Kladde, die er vorher mit Patchouli beträufelt hat. Allerdings ist mir das Schreiben im Blog nie so wichtig gewesen, dass ich es systematisiert hätte. Ich bin immer verführt worden von Plattformen wie blog-it, blogger.de oder eben blogspot, die es einem erlauben, innerhalb von fünf Minuten einen halbgaren Text in die Öffentlichkeit zu bringen. Viel länger darf so etwas auch nicht dauern. Ich beschäftige mich nicht lange mit dem Bloggen. Es ist ein Ventil. So etwas wie eine textliche Popsingle, so wie in den frühen 1960er Jahren, meine ich. Schnell rausgehauen mit all den Fehlern, die man beim Einspielen gemacht hat. Und manchmal sind es Grüße an die paar Freunde, von denen ich weiß, dass sie mitlesen.
Redakteur: Ist es kein Element schriftstellerischer Arbeit?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Nicht hier. Das hier ist mein kleines trashiges Privatvergnügen. Das einzig Literarische mögen die Limericks sein, die ich übrigens mal wieder ins Programm aufnehmen sollte.
Redakteur: Gibt es denn Leute, deren Blogs sie gerne lesen?
Herr Gedsudski: Was ich gut finde, das sind Themenblogs. Solche, die mir erklären, wie ich mein Desktop-Anzeigen-Symbol in Windows 8.1 zurückbringen kann, auch wenn es da angeblich überflüssig ist. Ansonsten kann ich mit den meisten Blogs nicht so viel anfangen. Die ganzen Selbstdarstellungsblogs sind nicht mein Ding. Nur die paar, die ich verlinkt habe, die sind gut. Da ist erst einmal Konstantin Binder mit London leben, der erstens aus der großartigsten Stadt der Welt schreibt und dabei interessante Sachen schreibt und vor allem einen sehr, sehr schönen Stil hat. Jemand, der mit der Sprache sorgsam umgeht. Der sie achtet. Viele Journalisten könnten sich davon mal eine riesengroße Scheibe abschneiden. Dann Das hermetische Café. Auch jemand, der sehr gut schreiben kann, wenngleich dieses Blog auch so ein bisschen verwaist in der letzten Zeit. Aber ich kenne den Autor von früher aus meiner damaligen Hood. Der kann auch jenseits von Blogs gut schreiben. Und schließlich Kaltmamsell. Ich finde, sie hat das persönliche Bloggen auf eine sehr angenehme, unaufdringliche und letzten Endes sehr uneitle Weise kultiviert. Ein kultiviertes Blog. Das passt. Diese ganzen jungen Leute hingegen, die irgendwas mit Medien machen, versuchen immer witzig zu sein oder geistreich, und meistens können sie leider auch nicht schreiben. Aber dennoch veröffentlichen sie dauernd irgendwelche Bücher in Publikumsverlagen.
Redakteur: Heißt das, das Blog als Textsorte hat ausgedient?
Herr Gedsudski: Nein, auf keinen Fall. Und schon gar nicht hier, im besten deutschsprachigen Blog der Welt. Denn wir haben noch viel zu bieten: 22 Selbstinterviews zu unterschiedlichen Themen. Außerdem werde ich 17 chronisch unterbewertete Bands vorstellen. Darüber hinaus gibt es irre Schminktipps und eine Reihe zu ungereisten Reisen.
Redakteur: Herr Gedsudski, vielen Dank für Ihre Einschätzung.
Herr Gedsudski behält die Hände am Steuer |
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Freitag, 10. April 2015
Forthcoming Attractions
Der Hochgeschwindigkeitszug brettert mit Schrittgeschwindigkeit durch Niedersachsen. Links und rechts abwechlungsarme Landschaften. Ich nutze die gewonnene Zeit, um hier ein Lebenszeichen zu posten. I'm alive and kicking in a way. Das Schweigen hier war das Schweigen eines Menschen, der etwas viel Arbeit vor sich hatte - und noch hat. Dennoch geht es hier weiter. Zunächst plane ich eine Reihe von 23 Selbstinterviews zu unterschiedlichen Themen. Außerdem möchte ich 17 chronisch unterbewertete Bands vorstellen. Darüber hinaus gibt es irre Schminktipps und eine Reihe zu ungereisten Reisen. Bleibt mir also gewogen, teure Leserschaft.
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