Mittwoch, 24. Mai 2006
Norwegisches Holz
Lars Saabye Christensen ist ja so etwas wie der Gott der norwegischen Sprache. Das hatte er bereits mit Yesterday bewiesen. Okay, Der Alleinunterhalter, den ich danach mit großen Erwartungen gelesen hatte, war nicht ganz so göttlich. Immer noch 1. Liga natürlich, aber ab und zu driftet dieser insomnische Roman um einen nordnorwegischen Sommer ins Alberne, Kalauerhafte, und die Handlung des Romans wirkt wie die Wand einer Fahrattraktion im Freizeitpark. Sie ist aus Kunststoff und riecht komisch und wenn man genau hinkuckt, dann sieht man die Stahlträger durch die Felsenimmitation durchscheinen. So war der Alleinunterhalter, und schon fürchtete ich, der norwegische Sprachgott hat sein Pulver bereits verschossen, aber dann las ich Der eifersüchtige Friseur (München: btb Goldmann, € 8,-), eine Sammlung von vier Erzählungen, auf die das Adjektiv "atemberaubend" nun mal wirklich passt. Atemberaubende Geschichten um einen Friseur, ein Mädchen, das Schwimmen lernt, einen Lehrer, der einen Koffer loswerden muss und einen Jungen, der seinem Vater an der Garderobe beisteht. Alltagsgeschichten mit alltäglichen Leuten von einer derart tiefen Poesie, dass es einen wirklich fast zum Weinen bringt. Aber davor rettet uns ja Lars Saabye Christensens Humor. Wer nicht weiß, was er gerade lesen soll, oder wer meint, er müsse nur irgendwas lesen: Martin Walser, Botho Strauß, Dieter Bohlen, Ulla Hahn usw. Einfach wegschmeißen und im nächsten Buchladen Der eifersüchtige Friseur kaufen! Und sich daran freuen, dass es den Gott der norwegischen Sprache gibt, und dass er mit Christel Hildebrandt in Deutschland eine Evangelistin hat, die ihn würdig übersetzt.
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