Mittwoch, 24. Mai 2006

Die Venus von Oslo


Nachdem ich es schon ein paar Monate im Buchregal stehen hatte, habe ich meinen Urlaub unter anderem dazu genutzt, endlich einmal die Fortsetzung von Christensens grandiosem Roman Yesterday zu lesen. Zwar hatte ich ein komisches Gefühl dabei, unter der Sonne Italiens über gestrauchelte norwegische Studenten zu lesen, aber es fügte sich alles auf das Vortrefflichste: Ein kleiner Teil des Romans spielt in Italien. Gut so. Auch gut, dass wieder Christel Hildebrandt für das Eindeutschen zuständig war. Ohne sie wäre Christensen bestimmt nur halb so gut. (Da ich kein Norwegisch beherrsche, weder das eine noch das andere, ist das natürlich nur eine Hypothese. Aber eine, an die ich ganz fest glaube!)
Worum geht es nun in Waterloo? Geht es etwa um Abba? Um die Musik der 70er Jahre gar? Keineswegs! "Waterloo" taucht nur am Rande auf, als kleines Leitmotiv, das die Fürchterlichkeit der 70er Jahre in Ereinnerung ruft. Mehr nicht. Ansonsten geht es eben um das Personal aus Yesterday, das immer noch irgendwie versucht erwachsen zu werden. Jetzt sind die vier ausgedachten Jungs in ihren Zwanzigern, aber im Mittelpunkt der Erzählung steht wieder Kim Karlsen, der als Erzähler fungiert und im Genitalbereich ein Andenken aus Florenz mit sich herumträgt. Dort (in Florenz wohlgemerkt, und nicht im Genitalbereich!) war er für längere Zeit ansässig gewesen, doch nun kehrt er nach Oslo zurück, ein geschlagener Held, in der Fremde gescheitert. Nach und nach trifft er seine drei Freunde wieder. Es geht um Politik und Poesie, Malerei, um Oslo, den Norden und um Liebe.
Ist das Buch nun gut? Ich habe es gern gelesen, denn es ist von Christensen und somit schon mal per se wunderbar und witzig und traurig. Aber trotzdem kann ich mir kein eindeutiges "Ja" abring-ringen. Die Geschichte ist nett, aber plätschert vielfach auch vor sich hin und droht manchmal in Belanglosigkeiten zu versinken. Vieles, ws am Ende von Yesterday in der Schwebe geblieben war, wird auf eine Weise aufgelöst, die einen schalen Beigeschmack verursacht. Insgesamt handelt es sich um einen zweiten Teil, der nicht an den ersten herankommt. Überhaupt ist der Roman ein seltsames Zwitterwesen, das zwischen Yesterday auf der einen und Der Alleinunterhalter auf der anderen Seite steht, und dabei weder Fisch noch Fleisch ist.
Doch kaufens- und lesenswert bleibt Waterloo allemal. Nur die riesigen Erwartungen, die Yesterday geweckt hat, werden nicht erfüllt. Blöd halt, wenn die Messlatte so hoch liegt ...

Lars Saaby Christensen: Waterloo.München: btb 2005.

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