Dienstag, 7. Juni 2005

Thalysmann

Ende letzter Woche hatte ich mich in einen dieser schnellen Züge gesetzt, die so rasch über das Eisen der Schiene huschen, dass sie es kaum berühren und wie ein lautoser Pfeil dahingleiten. In die französische Hauptstadt sollte es nämlich gehen, auch wenn mir damals, d.h. zu der Zeit, als ich die Oberstufe besuchte, die Mädchen immer suspekt gewesen waren, die ebenso frankophil wie gutaussehend daher kamen und mit denen ich nie näher in Berührung Kontakt kam, weil ich weder das Idiom unserer westlichen Nachbarn übermäßig reizend fand, noch deren Filme verstand. Und über die Musik will ich gar nicht reden. Und wollte ich vor allem damals nicht. Höchstens schlecht, und das machte mich bei den ebenso gutaussehenden wie frankophilen Mädchen immer ziemlich unbeliebt. Einzig wie Franzosen rauchen fand ich immer bildhübsch. Aber meine Chancen waren bereits durch, da half dieses kleine Zugeständnis auch nicht mehr. So trieb ich mich immer mit jenen ebenso gutaussehenden Frauen herum, die eher der englischen Kultur und Sprache zugewandt waren.
Wie auch immer: Inzwischen bin ich nicht nur aus der Schule heraus, sondern auch die französische Popmusik ist etwas besser geworden. Und selbst den einen oder anderen französischen Film kann man sich heutzutage ansehen. Natürlich gibt es da noch immer eine Menge Bullshit, aber es ist eindeutig Licht, was da am Ende des Tunnels zu sehen ist, und nicht die bekannte Panoramatapete.
Dermaßen versöhnt also mit der Kultur der Großen Nation setzte ich mich in Köln in diesen Thalys, der von außen ein beeindruckendes Beispiel franzsöscher Ingeneurskunst ist. Innen ist er ein wenig unbequem, aber man braucht ja auch nur knapp vier Stunden bis Paris.
Schließlich ruckelte der Zug an. Die Kölnisch-Wasser-Reklame verflüchtigte sich im Osten, und nahezu lautlos schlängelte der Thalys sich aus Köln heraus. Natürlich fuhr er im Schritttempo, denn das machen Züge ja, wenn die sich in geschlossenen Ortschaften bewegen. Doch auch als der Zug aus Köln heraus war, beschleunigte er nicht sonderlich nennenswert. Er kroch nach Aachen, wand sich nach Lüttich, schnarchte nach Brüssel hinein.
"Na toll!" dachte ich, während mir die Beine einschliefen.
Schließlich stand der schnelle Zug in Brüssel. Dort war ich mal gestrandet, als ich von London per Anhalter nach Hause gefahren war. Das war zu meiner Oberstufenzeit gewesen, und seither waren meine Erinnerungen an die europäische Verwaltungsmetropole eher getrübter Natur.
Als der Thalys aber Brüssel Süd endlich hinter sich gelassen hatte, beschleunigte er schließlich, als gäbe es kein Morgen. Ruhig und sachte glitt er in einem Affenzahn über die Gleise, und links und rechts wischte die nordfranzösische Landschaft vorbei. Ein toller Zug. Nur ein bisschen eng.
Eben noch waren die letzten Häuser Brüssels zu sehen gewesen, da fuhr der Thalys auch schon im Pariser Nordbahnhof ein. Dort waren es - nicht zuletzt dank der hervorragenden Klimaanlage des Thalys - gefühlte 50 Grad, und die Sonne prasselte von einem ungetrübten Himmel hernieder auf die Stadt der Liebe, als sei sie die Kulisse zu einem Italo-Western. In französischen Filmen regnet es ja meist, deshalb war das für mich ein eher ungewöhnliches Bild. Aber der Bahnhof machte einen netten Eindruck, die Stadt roch nach Großstadt und begrüße mich freundlich.
Was ich hingegen in Paris erlebt habe und wie ich die Abstimmung zur europäischen Verfassung beeinflusst habe, davon will ich ein andernmal berichten. Vielleicht.

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