Dabei lässt die Art, wie wir mit der Sprache umgehen - und die ist immerhin unser grundlegendes Kommunikationsmittel in Wort und Schrift (und Film und Spiel) - schnell darauf schließen, wie unsere Kommunikation funktioniert und auf welche Inhalte es uns da ankommt. Und da wird es mir in den vergangenen Jahren zunehmend schwarz vor Augen. Oft frage ich mich, warum ich mit anderen Menschen kommunizieren soll, wenn dabei sowieso nur vorgestanzte Oberflächlichkeiten heraus kommen. Da setze ich mich doch lieber hin und schaue die Sterne an. Die reden wenigstens keinen Unfug.
Der weithin bekannte Satz von Ludwig Wittgenstein lautet: "„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. Anders herum: Was ich nicht in Sprache fassen kann, kann ich nicht verstehen. Ich kann es mir nicht aneignen für meine Welt. Viele Menschen kennen den Satz. Viele Menschen aber halten ihn offenbar für falsch. Sonst würden sie sich ein wenig mehr Mühe beim Sprechen und Schreiben geben.
Es gibt viele Dinge, die mich absolut kribbelig machen. Zum Beispiel wenn ein BWL-Absolvent meint, er müsse einen auf dicke Hose machen und davon spricht, dass in 2015 der Euro Einbußen erleiden wird. "Lieber BWLer", möchte ich dann sagen, nachdem ich mühsam den Impuls unterdrückt habe, ihm so lange auf die Fresse zu geben, bis er die nächsten vier Wochen erst einmal gar nicht sprechen kann. "Lieber BWLer also, in und Jahreszahl ist eine englische Sprachkonstruktion. Im Deutschen gibt es die nicht. Auch nicht, wenn du meinst sie benutzen zu müssen. Und nein, es klingt überhaupt nicht cool, sondern nur unbeholfen. Versuch es doch einfach mal ohne das 'in'!"
Was mich aber noch mehr stört, weil es vor allem in Kreisen häufig vorkommt, die sich für verdammt intellektuell halten, das ist diese Floskel, die ebenso brutal aus dem Englischen deportiert worden ist, und im Deutschen schlicht und ergreifend kotzfalsch ist.
Ich zitiere das bestimmt sehr kenntnisreiche Buch von Nina Janich mit dem Titel Die bewusste Entscheidung: eine handlungsorientierte Theorie der Sprachkultur, das 2004 bei Gunter Narr erschienen ist. Ich habe es nicht gelesen, weil ich die Sterne beobachten musste.
Nina Janich ist übrigens Professorin für Deutsche Linguistik an der TU Darmstadt und seit März 2011 Jury-Sprecherin bei der Wahl zum Unwort des Jahres, wie ich dem Wikipedia-Eintrag unter ihrem Namen entnehme. Jetzt zitiere ich also endlich wirklich aus dem Buch von Frau Janisch: "Sprachbewusstsein meint im Kontext von Sprachkultiviertheit also nicht eine Eigenschaft der Sprecher oder eine prinzipielle Relation zu ihrem Wissen", schreibt sie da. (152)
Nein Frau Jänich, da hat sich wohl Ihr Sprachbewusstsein verabschiedet! Denn ein Begriff, ein Wort gar oder ein Ding kann überhaupt keine Meinung haben. Sie sind generell meinungslos. They may have a meaning, aber im Englischen, liebe Frau Jänig, bedeutet "to mean" eben auch "bedeuten", "heißen" oder "bezeichnen" - und eben nicht nur "meinen". Hätten Sie einen annähernd sinnvollen Satz schreiben wollen, hätte dieser vielleicht lauten sollen: ""Sprachbewusstsein bezeichnet im Kontext von Sprachkultiviertheit also nicht eine Eigenschaft der Sprecher oder eine prinzipielle Relation zu ihrem Wissen." Na, war gar nicht so schwer, Frau Jänig!
Immerhin geben sich die jüngeren Leute inzwischen bei der deutschen Entsprechung zu "That makes no sense" Mühe und übertragen richtig in "Das ergibt keinen Sinn." Wegen häufiger Ermahnungen hat sich hier zumindest in bestimmten Kreisen das Sprachbewusstsein eingeschaltet. Gut so! Allerdings kann man statt "Das ergibt keinen Sinn" gerne auch mal sagen oder schreiben: "Das ist sinnlos" oder "Das ist scheiße". Wie der Satz von Frau Jänig eben. Doch das sind nur stilistische Finessen. Da bin ich nicht so streng.
Zuweilen schwebt die Sprache wie ein Luftschiff. Bei vielen aber macht sie die "Hindenburg" |
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