Sonntag, 22. Oktober 2006

Eros Ramazzotti


Ich bin bekennender Krausser-Fan, und das schon seit Ewigkeiten. Nach Ultrachronos aber hatte ich mit dem Schlimmsten gerechnet, dem Allerschlimmsten. Ultrachronos, jener dickleibige Roman, der an seinem eigenen überkandidelten Wollen jede Seite aufs Neue scheitert. Ich war also mehr als skeptisch, als ich Eros aufschlug. Wieder so ein prätentiöser Titel, dachte ich noch, wieder so ein Ding wie Thanatos, an dem das einzig Lesenswerte die lustigen Übersetzungen der Namen von Rockgrößen aus dem englischsprachigen Raum gewesen waren. Ich muss nicht noch einmal extra erwähnen, dass ich Thanatos auch nicht gemocht hatte.

Jetzt aber begann ich mich schnell festzulesen. Der Rahmen dieses Romans ist ein bisschen schal: Ein Schriftsteller fährt zu einem reichen alten Sack, um seine Geschichte zu erzählen. Und diese Geschichte handelt von einer unerfüllten Liebe des alten Mannes, Alexander von Brücken, zu einer eigentlich ziemlich gewöhnlichen Frau namens Sofie. Die Geschichte beginnt im 2. Weltkrieg und endet im Hier und Jetzt, ist also eingebettet in die Geschichte Deutschlands der letzten sechzig Jahre.

Vieles ist nicht sonderlich gut ausgeführt. Die Sprache wimmelt von Anachronismen, die Städtebeschreibungen sind schlampig gemacht und auch an so manch anderen Stellen quietscht es noch ein bisschen. All das kann man natürlich als Komopositionsmittel des Romans verkaufen. Aber das sind sie natürlich nicht! Und auch die Beatles hätte man sich gut sparen können. In der vorliegenden Form wenigstens.

Die Geschichte aber, die Krausser erzählt, ist fesselnd, besteht aus vielen schönen Details und entwickelt tatsächlich so etwas wie eine eigene Magie. Was Krausser in seinen besten Augenblicken zu einem der besten deutschsprachigen Autoren gemacht hat, hat wieder zurück in seine Bücher gefunden. Der literarische Zauber, der die kleinen Nebensächlichkeiten mit dreisten Behauptungen kontrastiert, der wunderschöne Bilder und Gedanken aufbaut, um sie mit einem großkotzigen Handstreich auszuwischen, webt hier eine Geschichte, die in ihren guten Augenblicken sehr schön, sehr poetisch geworden ist.

Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, es handle sich bei Eros um Kraussers besten Roman, wie Kehlmann das auf dem Umschlag tut. Da sind die Melodien, ist die Fette Welt, sind auch die Tagebücher in ihrer Art um einiges besser. Aber Eros gehört unzweifelhaft zu Kraussers besseren Arbeiten. Die viele Prügel, die es in den letzten Wochen bekommen hat, hat dieses Buch wirklich nicht verdient. Vielem, was sich sonst in diesem Herbst auf den Auslagen der Buchhandlungen feilbietet, ist Eros trotz seiner Schwächen weit überlegen. Und ich kann mich jetzt wieder auf das nächste Krausser-Buch freuen, weil ich weiß, dass er es wirklich noch kann. Das Schreiben.

Helmut Krausser: Eros. Köln, Dumont, €19.90.

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