Mittwoch, 28. Juni 2006

Kulturkacke

Da drinnen vor dem Auge ist ein cooles Buch in dem Sinne, in dem es Alternativen zum Normalen aufzeigt und ausprobiert – und letzten Endes daran scheitert. Die Sachen, die ich in Stuttgart von Roth im Museum gesehen habe – und weswegen ich mir das Buch gekauft habe – fand ich ziemlich gut. Vor allem die Schokoladenteile und die Buch- und Heftseiten der Tagebücher. Das Lesebuch hier ist demgegenüber eher enttäuschend. Die aufgezeigten Alternativen münden meist im Belanglosen, im Gutgemeinten, im persönlichen Scheißdreck (im wahrsten Wortsinn). Vor allem die Gedichte sind witzlos in jeder Bedeutung des Wortes. Die Lebensläufe und Kleintexte sind letztendlich Müll. Die Bastelnovelle lebt immerhin von einem interessanten Ansatz, der aber viel zu langatmig und letztendlich auch uncharmant ausgeführt wird. Was ich faszinierend fand, war das Tagebuch. Der Selbstekel, die mitunter scharfen Beobachtungen, das sich selbst zum Gegenstand der eigenen Kunst aufschrauben, das fand ich interessant. Den moralisch-sittlichen Untergang nachzuverfolgen, den Roth zelebriert, das hat was, wenigstens eine Zeit lang. Aber gerade bei den Tagebüchern denke ich immer: Der Typ muss eine Unmenge Kohle gehabt haben, von Anfang an. Seine Auseinandersetzung mit der Welt ist eine, die sich auf unwirklichen Ebenen abspielt. Wahrscheinlich war Roth Kind reicher Eltern, Mann einer reichen Frau oder was auch immer. Und dass er im Laufe seiner Arbeit nicht schlecht dazuverdient hat, das bestätigt das Nachwort, das übrigens recht erhellend geschrieben ist.

Der Zusammenstoß mit dem Buch war ein fruchtbarer, aber jetzt bin ich froh, dass ich es weglegen kann.

Dieter Roth: Da drinnen vor dem Auge. Lyrik und Prosa. Hgg. von Jan Voss, Beat Keusch, Johannes Ullmaier und Björn Roth. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005. 10 Euro

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